Die Wurzeln der feministischen Mädchen*arbeit liegen in den 1970er Jahren
und kommen sowohl aus der Frauen*bewegung und der Schaffung feministischer Frei- und Schutzräume, als auch aus der Kritik an einer jungendominierten Jugendarbeit. In den 80er Jahren wurden viele Projekte der Mädchen*arbeit, v.a. im Bereich der Mädchen*treffs, aber auch Mädchen*Zufluchtsstellen aufgebaut.
In den 90er Jahren
wurde die Mädchen*arbeit strukturell stark gestärkt; zum einen durch den §9, Abs. 3 des Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG (SGB VII), der vorgibt, „bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern.“ Zum anderen aber auch dadurch, dass Einrichtungen der Mädchen*arbeit dauerhafte(re) kommunale Finanzierungen erhielten und damit Teil der Kinder- und Jugendarbeit wurden.
In Freiburg
wurde der AK Mädchen (der Jugendfreizeitstätten und mädchenspezifischer Einrichtungen) im Jahr 1979 gegründet; Tritta* e.V. wurde 1986 gegründet und ab 1991 durch die Stadt Freiburg gefördert.
Ab den 2000er Jahren
können wir die zunehmenden Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Leben von Mädchen* und jungen Frauen* beobachten, gemischt mit Anforderungen, die durch die immer stärker werdende Präsenz des Internets bzw. der Social Media verschärft werden. Filme, TV-Sendungen, Werbung, Konsumgüter und Zeitschriften zeigen immer deutlichere geschlechsspezifische Attribute: Mädchen* mögen rosa, Barbies, Einhörner, Pferdefilme, GermanysNextTopModell, posen gerne und so weiter. Anforderungen an Mädchen* sind oft widersprüchlich: beispielsweise sollen sie sexy, schön und zurückhaltend und gleichzeitig stark, erfolgreich und kein Opfer sein. Dieser weiblichen Rolle nicht zu genügen, wird als individuelles Versagen gewertet, auch von den Mädchen* selbst und gesellschaftlicher Druck nicht als solcher gesehen und bewertet.
Im gleichen Zeitraum spiegelt sich die Ambivalenz von „Wir sind doch alle gleichberechtigt!“ und „Es ist noch längstens nicht gut!“ auch auf der Ebene der Einrichtungen der Mädchen*arbeit. Angebote für Mädchen* und junge Frauen* werden stark in Frage gestellt und teilweise auch angegriffen. Die Argumentation verläuft im Wesentlichen entlang der besseren Leistungen von Mädchen* in der Schule, bzw. der schlechteren Leistungen von Jungen*.
Ab den 2010er Jahren
nimmt die Mädchen*arbeit stärker eine generell antidiskriminierende Haltung ein. Lebenssituationen von Mädchen* werden nicht mehr nur auf Geschlecht bezogen betrachtet, sondern intersektional, was meint, dass auch andere Diskriminierungsformen wie Rassismus, Klassismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Behindertenfeindlichkeit in den Blick genommen werden. Ihre Wirkung verschränkt sich mit der Wirkung geschlechtsbezogener Machtverhältnisse, u.a. in Form von Alltagssexismus und sexualisierter Gewalt.
Zeitgleich werden verschiedene feministische, antirassistische, queere, vielfaltsbezogene und überhaupt gesellschaftskritische Bewegungen stärker und bekommen mehr gesellschaftliche Beachtung. In Social Media finden sich z.B. #aufschrei, #ausnahmslos, #schauhin, #metoo und viele Blogs. Außerdem gibt es wichtige Gesetzesneuerungen oder -veränderungen wie das Antidiskriminierungsgesetz, die Ehe für alle, die Reform des Sexualstrafrechts und der 3. Geschlechtseintrag (Personenstandsrecht). Es gibt wieder mehr feministische Gruppen, feministisches Engagement und mehr politischen Protest.
Das alles hat auch Auswirkungen auf die Mädchen*arbeit und deren Weiterentwicklung und wir finden, es sind überwiegend positive Auswirkungen.
Gleichzeitig ist in den letzten zehn Jahren ein gesellschaftlicher Rechtsruck zu beobachten. Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit finden sich vermehrt in Social Media und bei rechtspopulitischen Initiativen und Parteien wieder. Feministische Mädchen*arbeit und allgemein eine geschlechterreflektierte Pädagogik sind auch im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen wichtige Gegenbewegungen von Seiten der Kinder- und Jugendarbeit.