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Mädchen*arbeit heute

Mädchen*arbeit heute geht auf eine über 40jährige Geschichte zurück…

 

Stand 01/2017

deshalb zuerst ein Blick auf die Entstehung und die Entwicklung der Mädchen*arbeit.
Mädchen*arbeit verstehen wir immer als feministische Mädchen*arbeit. Auch wenn Mädchen*arbeit sich nicht immer als feministische Arbeit benennt, ist sie dennoch oft oder zumindest in wesentlichen Teilen von den Prinzipien der feministischen Mädchen*arbeit geprägt.

Die Wurzeln der feministischen Mädchen*arbeit liegen in den 1970er Jahren

und kommen sowohl aus der Frauen*bewegung und der Schaffung feministischer Frei- und Schutzräume, als auch aus der Kritik an einer jungendominierten Jugendarbeit. In den 80er Jahren wurden viele Projekte der Mädchen*arbeit, v.a. im Bereich der Mädchen*treffs, aber auch Mädchen*Zufluchtsstellen aufgebaut.

In den 90er Jahren

wurde die Mädchen*arbeit strukturell stark gestärkt; zum einen durch den §9, Abs. 3 des Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG (SGB VII), der vorgibt, „bei der Ausgestaltung der Leistungen und der Erfüllung der Aufgaben sind die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen zu fördern.“ Zum anderen aber auch dadurch, dass Einrichtungen der Mädchen*arbeit dauerhafte(re) kommunale Finanzierungen erhielten und damit Teil der Kinder- und Jugendarbeit wurden.

In Freiburg

wurde der AK Mädchen (der Jugendfreizeitstätten und mädchenspezifischer Einrichtungen) im Jahr 1979 gegründet; Tritta* e.V. wurde 1986 gegründet und ab 1991 durch die Stadt Freiburg gefördert.

Ab den 2000er Jahren

können wir die zunehmenden Auswirkungen des Neoliberalismus auf das Leben von Mädchen* und jungen Frauen* beobachten, gemischt mit Anforderungen, die durch die immer stärker werdende Präsenz des Internets bzw. der Social Media verschärft werden. Filme, TV-Sendungen, Werbung, Konsumgüter und Zeitschriften zeigen immer deutlichere geschlechsspezifische Attribute: Mädchen* mögen rosa, Barbies, Einhörner, Pferdefilme, GermanysNextTopModell, posen gerne und so weiter. Anforderungen an Mädchen* sind oft widersprüchlich: beispielsweise sollen sie sexy, schön und zurückhaltend und gleichzeitig stark, erfolgreich und kein Opfer sein. Dieser weiblichen Rolle nicht zu genügen, wird als individuelles Versagen gewertet, auch von den Mädchen* selbst und gesellschaftlicher Druck nicht als solcher gesehen und bewertet.

Im gleichen Zeitraum spiegelt sich die Ambivalenz von „Wir sind doch alle gleichberechtigt!“ und „Es ist noch längstens nicht gut!“ auch auf der Ebene der Einrichtungen der Mädchen*arbeit. Angebote für Mädchen* und junge Frauen* werden stark in Frage gestellt und teilweise auch angegriffen. Die Argumentation verläuft im Wesentlichen entlang der besseren Leistungen von Mädchen* in der Schule, bzw. der schlechteren Leistungen von Jungen*.

Ab den 2010er Jahren

nimmt die Mädchen*arbeit stärker eine generell antidiskriminierende Haltung ein. Lebenssituationen von Mädchen* werden nicht mehr nur auf Geschlecht bezogen betrachtet, sondern intersektional, was meint, dass auch andere Diskriminierungsformen wie Rassismus, Klassismus, Homo- und Transfeindlichkeit und Behindertenfeindlichkeit in den Blick genommen werden. Ihre Wirkung verschränkt sich mit der Wirkung geschlechtsbezogener Machtverhältnisse, u.a. in Form von Alltagssexismus und sexualisierter Gewalt.

Zeitgleich werden verschiedene feministische, antirassistische, queere, vielfaltsbezogene und überhaupt gesellschaftskritische Bewegungen stärker und bekommen mehr gesellschaftliche Beachtung. In Social Media finden sich z.B. #aufschrei, #ausnahmslos, #schauhin, #metoo und viele Blogs. Außerdem gibt es wichtige Gesetzesneuerungen oder -veränderungen wie das Antidiskriminierungsgesetz, die Ehe für alle, die Reform des Sexualstrafrechts und der 3. Geschlechtseintrag (Personenstandsrecht). Es gibt wieder mehr feministische Gruppen, feministisches Engagement und mehr politischen Protest.

Das alles hat auch Auswirkungen auf die Mädchen*arbeit und deren Weiterentwicklung und wir finden, es sind überwiegend positive Auswirkungen.

Gleichzeitig ist in den letzten zehn Jahren ein gesellschaftlicher Rechtsruck zu beobachten. Einstellungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit finden sich vermehrt in Social Media und bei rechtspopulitischen Initiativen und Parteien wieder. Feministische Mädchen*arbeit und allgemein eine geschlechterreflektierte Pädagogik sind auch im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen wichtige Gegenbewegungen von Seiten der Kinder- und Jugendarbeit.

Und heute:

In der Mädchen*arbeit gibt es nach wie vor alle Themen, die das Leben von Mädchen und jungen Frauen prägen: Gewalt und Diskriminierung, Sexismus, auch als Form von sexistischer oder/und rassistischer Hatespeech, Körper, Schönheitsnormen, Sexualität, Geschlecht, Zukunft und Lebensplanung, Berufswahl, Mobbing, Freund*innenschaft und Solidarität und vieles mehr.

Mädchen*arbeit geschieht in vielen Bereichen der Jugend- oder Sozialen Arbeit, z.B. in Mädchen*Einrichtungen, als Mädchen*gruppen in Jugendtreffs , als Mädchen*Wohngruppe in den Erziehungshilfen, als Events wie Mädchen*Aktionstage oder Girls‘Day und in anderen Formaten.

Oft wird unter Mädchen*arbeit nur die Arbeit in Mädchen*gruppen verstanden, aber auch die Arbeit mit einzelnen Mädchen und jungen Frauen im Rahmen von Beratung, Schulsozialarbeit, in der beruflichen Orientierung oder in anderen Hilfen kann eine sehr parteiliche und unterstützende Mädchen*Arbeit sein.

Mädchen*arbeit hat immer das Ziel, Mädchen und junge Frauen zu stärken und zwar auf der individuellen und der gesellschaftlichen Ebene. Wir setzen uns für ein Leben frei von Gewalt gegen Mädchen und ihre volle Teilhabe in unserer Gesellschaft ein – her mit dem schönen Leben für alle*!

Hinweis zur Schreibweise „Mädchen*arbeit“.

Erklärung der AG Mädchen* Freiburg:

Mit dem Sternchen [*] wollen wir zeigen, dass wir Mädchen nicht als eine natürliche und festgeschriebene Kategorie verstehen, sondern vielmehr als wirkmächtige soziale Konstruktion.

Das Sternchen weist darauf hin, dass hinter der Kategorie Mädchen* vielfältige Identitäten stehen und versucht sichtbar zu machen, dass Geschlecht in sich weder statisch noch abgeschlossen ist, sondern prozesshaft veränderbar. Es soll verdeutlichen, dass es nicht nur zwei Geschlechter, nämlich weiblich und männlich gibt, sondern viel mehr. Zudem möchten wir mit der Verwendung des Sternchen (z.B. Besucher*innen) alle Genderidentitäten mit einschließen, insbesondere jene, die sich nicht in das heteronormativen Zweigeschlechtersystem einordnen.

Mit dem Begriff Mädchen* vertreten wir eine Mädchen*arbeit, die sich auf die Interessen von Jugendlichen bezieht,

  • die sich als Mädchen* definieren und identifizieren
  • die als weiblich gelesen werden
  • die als Mädchen* sozialisiert werden
  • die Sexismen erfahren.
  • die intersektionale Diskriminierung erfahren

Für eine geschlechtergerechte Jugendhilfe, vertreten wir auch Interessen von nicht-binären, trans*, inter* und queeren Jugendlichen.